Zauber in Zelluloid -
Thea Fuchs erzählt über die Sternstunden des Films (73)
Vom 1.
bis 17. Dezember findet in der Wiener Stadthalle ein
grosses Karl-May-Spektakel statt. Die deutsche Karl-May-Bühne
Elspe, die mir ihren Inszenierungen alljährlich
Hunderttausende begeistert, gastiert mit Pierre Brice als
Winnetou an der Spitze eines 80-Personen Ensembles in
Wien. Für den "Schatz im Silbersee" wird ein
imposantes Bühnenbild mit Westerndorf und Indianerlager
vor massiver Felswand, über die sich beim grossen Finale
aus zwölf Meter Höhe sogar ein Wasserfall stützen wird,
erbaut. Eine Attraktion für Karl-May-Fans im allgemeinen
und Pierre -Brice-Fans im besonderen. Zu letzteren zählen
heute auch Tausende Jugendliche, die vor reichlich einem
Jahrzehnt, als der sympathische Franzose als Winnetou in
elf deutschen Karl-May-Filmen geradezu sagenhafte
Beliebtheit errang, noch kleine Knirpse gewesen sind. Die
Tatsache, dass ein deutscher Filmproduzent bei der
Besetzung der Winnetou-Rolle mit Pierre Brice einen Glücksgriff
getan hatte, löste damals eine erfolgreiche deutshe
Filmwelle aus: Die Karl May-Film-Welle
Pierre
Brice hat mehrere Dutzend andere Filmrollen vor
seiner "Winnetou-Zeit" und danach
gedreht. Keine einzige vermochte sein Winnetou-Image
zu zerstören. Es gibt nur wenige Beispiele in
der Geschichte des deutschsprachigen Films, die
so eindeutig wie dieser Fall Winnetou beweisen,
dass einst die grössten Kinogeschäfte mit der
Idealbesetzung einer Traumrolle gemacht worden
sind. Pierre Brice hat für seine Karl-May-Filme
zahlreiche Trophäen - Bambis und Goldene Ottos -
eingeheimst. Seit er 1976 und 1977 als Winnetou
bei den Karl-May-Festspielen in Deutschland auf
der Bühne stand, ist seine Popularität neu
aufgeflammt. Er wird in der Stadthallte seinen
Fans sozusagen "hautnah" beweisen, dass
er für die Rolle des edlen Apachenhäuptlings,
mit der er für viele Jahre zum beliebtesten ausländischen
Schauspieler des deutschen Films avanciert, nicht
nur fabelhaftes Aussehen mitgebracht hatte. Er
wird in fulminanten Actionszenen glänzen, für
die die deutsche Karl-May-Bühne achtzehn
trainierte Pferde und Reiter mitbringt. Die
Pferde beherrschen die Technik der Westernfilme,
können sich zum Beispiel aus jeder Gangart
hinfallen lassen. Das Training der Reiter,
einschliesslich Pierre Brice wird ständig von
europäischen Top-Cascadeuren geleitet. |
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Ein
Fiaker für Winnetou |
Als
Pierre Brice 1970 für die Dreharbeiten des
zweiteiligen Fernsehspiels "Die Marquise von
B." (mit Heidelinde Weis) nach Wien kam,
hatte er sich vorher von Regisseur Claude Boissol
"einen Fiaker am Flughafen" gewünscht.
Nicht nur dieser Fiaker, auch eine unübersehbare
Menge jugendlicher Fans erwarteten den Karl-May-Film-Helden
in Schwechat. "Winnetou" liess sich, überrumpelt,
mit buntem Federschmuck dekorieren, rauchte für
seine Fans eine Friedenspfeife und flüchtete
schliesslich aus dem Fiaker, in dem er nur ein
paar Flugplatzrunden gedreht hatte, in eine mehr
Schutz gewährende Limousine und ins Hotel.
"Howgh - und jetzt für drei Wochen
Aufenthalt und Arbeit kein Wort mehr von Winnetou!"
sagte Brice und irrte sich sehr, denn keiner der
Reporter, die bei den Dreharbeiten auftauchten,
kam ohne die Frage: "Werden sie eines Tages
wieder den Winnetou spielen?" aus. |
Als
der fesche Franzose, als Rothaut im ersten
deutschen Karl-May-Film "Der Schatz im
Silbersee" aufgetaucht war, da wünschten
sich Millionen Kinobesucher, dass dieser Winnetou
nicht so schnell wieder in den Wigwams ausländischer
Filmproduzenten verschwinden möge. Der Wunsch
ging in Erfüllung. Einige Jahre lang war der
Paradeindiander, der Besieger der Coyoten der Prärie,
der zugkräftigste Eroberer der Mädchenherzen
zwischen Alster und Donau. Pierre Brice gestand
damals: "Diese Rolle hat mich ganz persönlich
abgefärbt. Ich liebe den edlen Apachen wie einen
Bruder. Ich habe mich dabei überrascht, dass ich
pötzlich versuchte, persönlich diesem "Bruder
Winnetou" ähnlich zu werden. Dabei habe ich
Karl May, bevor ich Winnetou wurde, nicht gekannt.
Ich habe allerdings dieses Versäumnis schnell
nachgeholt. Vor allem verdanke ich Winnetou, dass
ich Deutschland und die deutschen Mädchen gut
kennengelernt habe. Aus tausenden Briefen habe
ich die Erkenntnis gewonnen, dass deutsche Mädchen
heute viel romantischer als die französischen
sind. Sie lassen sich von ihren Träumen
davontragen." |
Auch
der Gegenspieler von Pierre Brice in den Karl-May-Kinoknüllern
der sechziger Jahre war ein ausländischer Star:
Lex Barker. Als Old Shatterhand erkämpfte sich
der Amerikaner in der 46. Filmrolle seiner
Laufbahn den grössten Publikumserfolg seines
Lebens. Damals schleppten die Postboten ganze Säcke
voller Fanbriefe, adressiert an "Old
Shatterhand, Berlin", in sein Domizil. Der
Karl-May-Filmerfolg übertraf bei weitem noch die
erste Glanzzeit des blonden Feschaks Barker, der
als 10. Tarzan zwanzig Jahre vorher ins Filmgeschäft
eingestiegen war. Obwohl er nach Johnny Weismüller
der populärste Tarzan gewesen ist, ging Barkers
Stern erst wirklich in Deutschland auf. |
54
Jahre war Lex Barker alt, als er 1973 starb. Ein
Herzschlag hatte den Kinohelden auf der belebten
New Yorker Lexington Avenue tot zusammenbrechen
lassen. Die herbeigeeilten Polizisten erkannten
erst bei genauerer Untersuchung, am Namenszug auf
der Armbanduhr, wer da vor ihnen auf dem
Strassenpflaster lag. Sein 25-jähriger Sohn Zan
- aus der ersten von fünf Barker-Ehen - hat nach
dem Begräbnis zu den deutschen Filmleuten, die
"Old Shatterhand" die letzte Ehre
erwiesen hatten, gesagt: "In keinem anderen
Land hat mein Vater mehr Anerkennung gefunden als
in der Bundesrepublik. Er war sehr glücklich,
dass er in einem Tief seiner Laufbahn in
Hollywood die Chance bekommen hatte, als Old
Shatterhand und Kara Ben Nemsi noch einmal
ungeahnte Truimpfe zu feiern." |
Über
die Frage, warum die Karl-May-Filme zu einem
Zeitpunkt, als das Geschäft mit Traumfabriken überall
in der Welt schon sehr schwer geworden war, so
sensationell erfolgreich gewesen sind, ist natürlich
viel debattiert worden. Regisseur Harald Reinl,
der die wichtigsten Karl-May-Filme inszeniert hat,
meint: "Gute, zugkräftige Geschichten mit
allem Zubehör - von Spannung über
Abenteuerromantik bis zu Liebe - haben sich
damals als grosse Kinoverzauberer bewiesen. Hinzu
kam für den einzigartigen Publikumserfolg die
schlichtweg ideale Besetzung der Hauptrollen.
Auch das war, bevor sich so vieles im Filmgeschäft
geändert hat, ein letzter Beweis für eine
jahrzehntelang gültig gewesene Produzentenregel:
dass Filmschauspieler in erster Linie von Typ und
Gestalt den in ihren grössten Erfolgsrollen
darzustellenden Figuren vollkommen adäquat sein
mussten. Von dieser Hauptgeschäftsregel, die für
einen Clark Gable als Rhett Butler in "Vom
Winde verweht" ebenso gegolten hat wie für
Grete Garbo als Maria Walewska, Ninotschka oder
Zarah Leander in den unvergessenen Zarah-Filmen,
hat man sich unbegreiflicherweise distanziert.
Das heisst, wenn diese Regel noch ausnahmesweise
einmal eingehalten wird und wenn dazu eine
wirklich "gute Geschichte" kommt, dann
geht geht meiner Überzeugung nach noch immer die
Rechnung mit Erfolg beim Publikum auf." |
Wie
glücklich die Wahl der Stars für die Karl-May-Filme
gewesen ist, hat auch die Dritte im Bunde, Marie
Versini, bewiesen. Als Apatschenprinzessin Nscho-Tschi
sicherte sich die zierliche Pariserin korsischer
Abstammung die stürmische Zuneigung von
Millionen in Deutschland und Österreich. Nachdem
sie als Winnetous Schwester "gestorben"
war, holte man sie als schöne asiatische Fürstentochter
wieder, als Lex Barker im Gewand Kara Ben Nemsis
"Durchs wilde Kurdistan" ritt. |
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Über
Nacht ein Star |
Als
Nachfolgerin der zauberhaften Marie Versini ist
schliesslich auch noch Uschi Glas zum Zug und zur
Karriere gekommen. Bei einer Party in München
lernte der Karl-May-Film-Produzent Horst
Wendlandt Uschi kennen. "Schicken sie mir
bald ein paar Fotos!" bat er. Uschi Glas
dachte: "Partygeschwätz", schickte ihm
aber trotzdem ein paar Konterfeis. Sie bekam
einen Schreck, als zwei Tage später aus Berlin
angerufen wurde und man sie bat, für eine plötzlich
vehinderte Schauspielerin eine kleine Rolle im
Wendlandt-Krimi "Der unheimliche Mönch"
zu übernehmen. |
Die
Rialto-Produktion gab ihr einen
Ausbildungsvertrag, und als Horst Wendlandt die
niedliche junge Münchnerin neben Winnetou als
"Apanatschi" einsetzte war ihr in der
verebbenden Karl-May-Filmwellen als letztem Star
der grosse Publikumserfolg sicher. |
Uschi
Glas heute in Rückschau auf damals: "Ich
bin froh, dass ich als eine der Jüngsten in
jener Zeit noch miterlebt habe, welche ungeheuren
Möglichkeiten im Medium Film einmal steckten.
Meine Popularität, dieses einfach berauschende
Gefühl, von Millionen Menschen geliebt zu werden,
hatte ich Karl May zu verdanken. So etwas kann
einem Greenhorn beim Film heute kaum noch
passieren..." |
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