'So lebte und starb Old Shatterhand' - Bravo 52/1977

 

So lebte und starb Old Shatterhand

Hier erfahrt Ihr alles über den Mann, der in den Karl-May-Filmen Winnetous Blutsbruder spielte...

Angefangen hat es mit dem Sport. Lex Barker (richtiger Name Alexander Crichlow Barker), geboren am 8. Mai 1919 in Rye bei New York, lernte schon mit zwei Jahren Schwimmen. Sein Vater nahm ihn eines Sonntags in einem Boot mit auf einen See hinaus. Lex brüllte vor Angst wie am Spiess. Um ihm zu zeigen, wie harmlos das Wasser ist, steckte ihn der Vater in den See. Lex schloss sicherheitshalber den Mund und machte zaghafte Schwimmbewegungen. Einige Wochen später kraulte er perfekt durch die Fluten. Mit drei Jahren lernte er Reiten, mit sieben Jahren Boxen, mit neun Jahren wurde er Football-Spieler.
In der Schule war er der Sport-Star, Held der Klassen-Mannschaten. Dabei eroberte fünf "Sieger-Trikots". Nach amerikanischem College-Brauch bekam das Mitglied einer Mannschaft, die eine Schul-Meisterschaft gewonnen hatte, ein "Sieger-Trikot". Lex eroberte es in Tennis, Schwimmen, Football, Fechten und Leichtathletik. Mit 12 Jahren lernte er (hinter dem Rücken seines Vaters) Auto fahren; im Teen-Alter wurde das Fischen mit der Harpune seine neue Leidenschaft. Das Tiefseetauchen blieb Barkers grosses, fast einziges Hobby. Während der Dreharbeiten zu den May-Filmen war er an jedem freien Tag mit Pierre Brice an der jugoslawischen Steilküste unter Wasser!
Mit 13 Jahren verliebte sich Lex zum erstenmal. Sie hiess Ruth und war die Tochter des Klassenlehrers. Aber schon mit 18 erwischte es ihn richtig. Er lernte Constance Thurlow kennen. Die beiden gingen miteinander. Sie heirateten 1942 - Lex war damals Soldat - und bekamen 1943 eine Tochter namens Lynn und 1947 einen Sohn Alexander. Constance teilte das schwere Leben mit dem Soldaten und später mit dem Film-Anfänger, sie hatten oft nichts zu essen. Schliesslich lebten sie sich auseinander. 1950 wurde die Ehe geschieden.
Lex war dann noch viermal verheiratet: Mit der Schauspielerin Arlene Dahl (von 1951 bis 1952), mit dem Welt-Star Lana Turner (von 1953 - 1957) und mit der Schweizerin Irene Labhart (von 1957 - 1962). "Sie war die einzige Frau, die ich wirklich geliebt habe. Bei ihr habe ich erst erfahren, was wirkliche Liebe ist!" sagte Lex später. Er war zutiefst erschüttert, als Irene bei einem Unfall ums Leben kam. Er heiratete noch einmal. Die Spanierin Carmen Tita Cervera wurde seine 5. Frau (von 1965 bis 1972).
Mit zwölf Jahren, noch ehe er zum erstenmal verliebt war, stand Lex auf einer Bühne. Es war zwar nur ein Schüler-Theater, aber da er von freundlichen Eltern und begeisterten Mitschülern mit Beifall überschüttet wurde, setzte sich in ihm damals der Gedanke fest: "Ich will Schauspieler werden!" Später hörte er dann immer wieder von anderen, vor allem von Mädchen: "Lex, du bist ein richtiger Film-Typ!" Er glaubte das auch.
Lex startete als "Kulissenschieber"
Lex war natürlich längst zum ständigen Kinobesucher geworden. (James Stewart und Henry Fonda waren seine Stars). Und er stellte Vergleiche zwischen den jungen Helden und seinem Spiegelbild an: Er hatte dabei das Gefühl, dass er durchaus mit den Leinwand-Stars mithalten konnte.
Mit 18 Jahren kam er während der Ferien an ein Sommer-Theater als "Mädchen für alles". Als ein Schauspieler krank wurde, durfte der "Kulissen-Schieber" Lex einspringen. Überglücklich holte er den Vater herbei. Der sah sich kopfschüttelnd seinen Sohn auf der Bühne an und sagte nach der Vorstellung schlicht und einfach: "Du warst scheusslich!"
Der Vater war prinzipiell gegen das Theater. Lex wiederum war prinzipiell gegen das Ingenieur-Studium, zu dem ihn sein alter Herr verdonnert hatte. Aber solange Lex noch minderjährig war, blieb der Vater der Stärkere.
Eines Tages fuhr Lex nämlich klammheimlich nach Hollywood. Der Talentsucher einer Film-Firma hatte ihn auf der Bühne gesehen, war nach der Vorstellung in die Garderobe gekommen, hatte ihm eine Visiten-Karte in die Hand gedrückt und gesagt: "Melden sie sich doch einmal bei der Fox!"
Der Name dieser grossen Film-Firma ging Lex nicht mehr aus dem Kopf. Also fuhr er kurzentschlossen nach Hollywood, sprach bei der Fox vor. Man machte Probeaufnahmen mit ihm, er gefiel, man gab ihm einen Vertrag. Da aber Lex noch immer minderjährig war, sollte der Vater unterschreiben. Und der weigerte sich natürlich. Um den Sohn auf andere Gedanken zu bringen, stellte er ihn mit sanfter Gewalt in seine Baufirma ein. Lex sollte das Gewerbe von der Pieke auf lernen. Der biss in den sauren Apfel. Aber dann brach der Krieg aus...
Lex Barker musste als Infanterist einrücken. Nach seiner Ausbildung kam er nach Nordafrika, machte die Landung in Sizilien mit, wurde dabei am Kopf verletzt (als ewiges Andenken behielt er eine kleine Silberplatte in der Schädeldecke, die aber durch seinen Haarwuchs verdeckt wurde). Nach einer weiteren Verwundung kam er als Captain (Hauptmann) heim.
Da stand er nun. Er hatte eine Frau und eine Tochter aber keinen Job. In die Firma seines Vaters wollte er auf keinen Fall zurück. Er versuchte noch einmal bei der Fox sein Glück. Er bekam einen miesen Vertrag und keine Rolle, darbte weiter, bis zum erstenmal das Film-Glück seinen Weg kreuzte.
Johnny Weismüller, der Top-Tarzan, war für die Rolle zu alt geworden, man bot sie dem sportlich durchtrainierten Barker an. Lex wollte zuerst nicht: "Ich bin ein Schauspieler und kein Affe!", aber die hohe Gage lockte ihn. Er wurde mit einem Schlag zum Top-Star und blieb fünf Jahre lang Tarzan.
Aus dem Tarzan-Schurz ins Trapper-Kostüm
Dann gab er den Job auf. Er glaubte, jetzt würden ihm die tollen Verträge ins Haus schneien. Aber da irrte er sich gewaltig. Niemand wollte von dem Ex-Tarzan etwas wissen.
Neun Jahre lang buk er relativ kleine Film-Brötchen. Bis er 1962 wieder eine, seine Top-Rolle, in Deutschland fand: den Old Shatterhand! ("Anscheinend bin ich nicht für normale Bühnen-Anzüge gebaut. Nur im Tarzan-Schurz und im Trapper-Kostüm bin ich wirklich ein Star gewesen!" sagte Lex Barker in einer einsichtigen Stunde.)
Der Film-Zufall spielte eine tolle Doppelrolle: 1962, während der Film-Festspiele in Berlin, machte er einen blonden Amerikaner und einen dunkelhaarigen Franzosen zu deutschen Top-Stars.
Der Franzose war Pierre Brice. Ihn sah der Film-Produzent Wendlandt während des Star-Rummels der Berlinale. Der Film-Boss erkannte auf den ersten Blick, dass er in dem relativ unbekannten Franzosen den Mann gefunden hatte, den er seit Wochen suchte, und der in den Karl-May-Filmen den Apachen-Häuptling Winnetou spielen sollte. Pierre spielte ihn und wurde berühmt.
Lex Barker war nach Berlin gekommen, um zu testen, ob er in der deutschen Film-Szene landen könnte. Seine vierte Frau, die Schweizerin Irene Labhart, hatte ihm immer wieder eingetrichtert: "Ein Typ wie du hat nur im deutschen Film tolle Möglichkeiten!"
Lex gab nach, obwohl er Irenes Optimismus nicht so recht teilen konnte. Als offizielles Mitglied der US-Delegation reiste er nach Berlin. Hier lernte er auf einer Party den Film-Produzenten Atze Brauner kennen. Sie wechselten zwar nur einige Worte, aber als Brauner mit dem Streifen "Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse" ins Atelier ging, engagierte er Barker für die Rolle eines FBI-Agenten.
Regisseur dieses Thrillers war Harald Reinl, der Mann, der spätier die "Winnetou"-Filme in Szene setzte. Und damit war der Faden geknüpft...
Ein Foto gab den Ausschlag
Wendlandt, der nun zwar seinen Winnetou, aber noch keinen Old Shatterhand hatte, stiess auf Barkers Foto. Reinl und Barkers deutscher Agent halfen nach. Aus dem Ex-Tarzan, dem Mitmischer in vielen englischen und amerikanischen Krimis und Abenteuer-Filmen (Barker spielte auch einmal den Robin Hood!) war der Bilderbuch-Deutsche Old Shatterhand geworden. Lex hatte die Rolle seines Lebens gefunden.
Er war damals 43 Jahre alt. Aber das Alter hatte in seinem Gesicht keine Spuren hinterlassen. Er war straff, sehnig, muskulös, hochgewachsen (1,92 m), blond, grünäugig, sportlich durchtrainiert - das Wunschbild eines deutschen Kino-Helden.
Siebenmal stand er als Old Shatterhand vor den Kameras. Er wurde damit für Millionen von Kinogängern zu einem Begriff - und auch heute noch, nach der Wiederaufführung der Karl-May-Filme im Fernsehen, ist er das Symbol des treuen Freundes, des sympatischen Helden, des tollen Draufgängers.
"In meinem Leben hat es drei Dinge gegeben, die mich richtig ausfüllten: die Liebe, der Sport und die Schauspielerei!" hat Lex einmal einem BRAVO-Reporter gestanden. "In der Liebe habe ich einmal Glück gehabt, in meiner Ehe mit Irene. Im Film zweimal, mit Tarzan und Old Shatterhand. Im Sport immer, obwohl ich keine Kanone war."
Als die Karl-May-Filmserie abgedreht war, ging Lex Barkers Stern unter. Er wartete auf Filmrollen, bekam keine, wurde die Sache leid, kratzte sein Erspartes zusammen und fuhr wieder heim nach Amerika. Er mietete ein kleines Haus, machte in Tennis-Schaukämpfen mit und schmiedete Pläne: Er wollte mit dem alten Johnny Weismüller gemeinsam ein "Tarzan-Land" (ähnlich wie "Disneyland") gründen und dort als Tarzan auftreten. Trotz aller Pleiten verlor er seinen Optimismus nie: "Ich will 84 alt werden. Das Leben ist immer noch wunderbar!"
Lex Barker wurde genau 54 Jahre und drei Tage alt. Am 11. Mai 1973 brach er in New York mitten auf der Strasse zusammen. Herzversagen! Old Shatterhand war sofort tot.

Erich Pecher