Die Hölle von Manitoba
Hauptseite / Vollständiger Stab / Info / Kritik / Bilder
 
'Die Hölle von Manitoba' ist als Film nicht nur Geschmackssache - es hängt in meinem Falle auch immer von meiner momentanen Grundeinstellung dem Film gegenüber ab, wie ich ihn empfinde. Bei der letzten Visite war ich wieder einmal ganz positiv überrascht: kein grottenschlechter Film, sondern lediglich ein unterdurchschnittliches, passagenweise aber gar nicht mal so mieses Leinwandabenteuerchen. Mit zwei unterschiedlichen Ansätzen lässt sich der Film beurteilen: entweder man nimmt ihn als kommerziell und auf Unterhaltung angelegten Euro-Western, als welcher er wohl produziert wurde und als welcher er definitiv enttäuscht. Dramaturgie und Schauspielerleistungen sind über weite Strecken unmotiviert und enttäuschend. Oder man sieht den Film als die europäische Antwort auf den amerikanischen Anti-Western, auf legendäre Inszenierungen Richard Brooks' oder Anthony Manns wie 'Die letzte Jagd' (1956) oder 'Der Mann aus dem Westen' (1958). Aus jenem Blickwinkel lassen sich die lustlosen Akteure, die unförmige Inszenierung und die billig-düster wirkenden Sets als durchaus beabsichtigte Stilmittel beurteilen. Regisseur Sheldon Reynolds "nimmt den Heldentypen und dem Optimismus der Historie die Maske ab und lässt hinter den Masken Gesichter von Menschen erscheinen". Der 'Illustrierte Filmkurier' versteht es gut, dem Film einen anspruchsvollen Hintergedanken aufzuschwatzen. Aus diesem Blickwinkel lassen sich zweifelsohne alle Mängel begründen: Thomas Eckelmann als Synchronsprecher von Pierre Brice atoniert mit Absicht so unpassend müde. Pierre Brice versucht mit Absicht krampfhaft ein cooler Cowboy zu sein. Vielleicht wurde der völlig unlogische Titel - Manitoba wird als Wort im ganzen Film nie genannt oder besucht - auch gewählt, um die Delokalisierung urmenschlicher Gefühle in einer heimatlosen Gegend auszudrücken. Interpretationen sind zweifelsohne möglich - aber: ich nehme es den Produzenten und Akteuren einfach nicht ab. Halten wir nun einige vorbehaltlos gelungene Aspekte des Filmes fest: Die Musik von Angel Arteza ist genial und erzeugt veritable Spannung. Auch die spanische Wildwest-Landschaft überzeugt, nicht nur weil sie einem aus vielen anderen europäischen Produktionen bereits heimisch ist. Die Kamera ist zuweilen seltsam unkonventionell, aber sympathisch. In der positiven Werteskala nimmt für mich auch Lex Barker Platz, dem eine charismatische Darstellung gelingt. An platten, hölzernen Dialogen und der unstrukturierten Dramaturgie kann er wenig ändern. Die undurchsichtigen Charaktere sind es weniger, die die Spannung rauben. Es ist eher die Reizlosigkeit - künstlerisch anerkennend gesprochen: die Trostlosigkeit - der Figuren und die müde Inszenierung, der es eindeutig an Biss fehlt. Die stärkste Szene ist die Diskussion zwischen Clint, Breese und Jade im Saloon. In jener Sequenz ist die Atmosphäre glaubwürdig angespannt und wird von der authentischen Darstellung des Ensembles getragen. Auch Lex' Schlägerei im Hotelzimmer gehört sicherlich zu den flotteren, spannenden Passagen des Filmes. Bis zur 70. Minute legt Regisseur Sheldon Reynolds den Schwerpunkt der Handlung auf die Beziehung zwischen Reese und Brenner. Nachher beginnt das finale Volksfest, das hoffnungsvollere Passagen des Filmes leider reichlich entwertet. Die psychologisch nicht uninteressante Story über sich im Duell gegenüberstehende Freunde macht sich in der klischeelastigen, dümmlichen Inszenierung des Festes selber zur Farce. Die Darstellungen des Richters und des Bürgermeisters sind ärgerlich und schlecht! Im Finish erschiessen Breese und Brenner zwei unschuldige Zivilisten vor den Augen von Kindern - und der Bürgermeister verkündet anschliessend freudig-jauchzend: "Es war der beste Kampf, den wir je hatten". Welch fragwürdige Moral! Zum Schluss noch einige treffende Beobachtungen: Sehr oft wird beispielsweise durch die Musik Spannung erzeugt ... - und nachher passiert überhaupt nichts! Als Beispiel dient das erste Zusammentreffen von Barker und Brice. Sie legen sich schlafen, sehen einander nochmals an, dann greifen beide zum Revolver... und nachher schlafen sie ein. Oder auch ganz am Schluss: Die beiden stehen sich im Duell gegenüber, sehen sich lange an, überlegend, was sie tun sollen,... und schliesslich schaffen sie sich dieses Problem aus dem Weg, indem sie einfach lautstark zu lachen beginnen! Diese dramaturgischen Grausamkeiten nehmen dem Film die klischeekritische Dimension; vor allem in Kombination mit den hölzernen Dialogen, die den Eindruck erwecken, als müsste jeder Schauspieler vorher noch schnell im Drehbuch nachlesen, was als nächstes kommt. In 'Wer kennt Jonny R.?' sollte es Lex noch erkennbar besser gelingen, Shatterhand-extern Fuss im Eurowestern zu fassen...
 

4/10

 

Lex Barkers Rolle:

Man nimmt Lex seine 45 Jahre auch in der Rolle des Clint Brenner vorbehaltlos ab. Interessant, dass er bis zum 'Schatz der Azteken' in seinen Rollen eigentlich praktisch immer jünger wirkte, als er war, seither als Faulkner, Brenner und später als Shatterhand im dritten Teil der Winnetou-Trilogie aber deutlich reifer daher kommt. Clint Brenner ist ein bedächtiger, szenenweise durchaus geselliger Cowboy. Lange ist die Vergangenheit des in die Jahre gekommenen, mit Blue-Jeans und Cowboy-Hemd bestückten Revolverhelden dem Zuschauer unbekannt. Seth Grande teilt in der Mitte des Filmes mit, dass Clint ein ehemaliger Rancher ist, dessen Farm jedoch vor acht Jahren in Brand gesetzt wurde und ihm gewissermassen die Identität raubte. Clint wird zum Einzelgänger. "Lasst mich mein Leben leben, wie ich es zu leben wünsche!" ist eine seiner Aussagen. Auch als die mit Überzeugung gewaltlosen Farmer ihn um Hilfe bitten, reagiert er ablehnend. "Es ist nicht mein Kampf!" Bis zum Schluss hinterlässt Clint nur selten das Bild eines innerlich ausgeglichenen Menschen. Als Revolverheld Mitmenschen niederschiessen - das ist nicht der tiefe Sinn, den er in seinem Dasein sucht. Und doch zieht er's immer wieder durch. Lex spielt diesen gespaltenen Charakter recht überzeugend - trotz, vielleicht auch wegen, der fehlenden begeisterten Ausstrahlung.

 

Das ist mir auch noch aufgefallen:

- Nachdem sie sich beim Pokern vergnügt hatten, laufen Breese und Brenner zurück ins Hotel. Dort angekommen bringt Pierre Brice einen Spruch und Lex Barker kann sich nicht mehr halten vor Lachen. Nur selten sieht man Lex in einem Film so herzlich lachen. In anderen Filmen sah sich Lex schon definitiv besseren Sprüchen ausgesetzt und zeigte weniger Emotionen. Eine bizarre Szene!

- Fehlende Logik? Wieso schiesst Jack Villaine eigentlich auf Marianne Koch? Eigentlich war es ja ein Duell zwischen ihm und Seth Grande.

- In der 42. Minute gesteht Marianne Koch, dass Seth Grande ihr Vater sei. Bei jener Aussage scheint der Synchronregie ein Fehler unterlaufen zu sein: Die Stimme klingt fremd, der Schnitt kommt zu abrupt.

 

Das meinen die andern:

"Lex Barker und Pierre Brice schienen auf edlen Sieg abonniert, und sie sollen weiterhin siegen und uns an das Gute glauben lassen, gerade aber deshalb soll man ihre Rollen in 'Die Hölle von Manitoba', soll man diesen Film besonders werten. Sheldon Reynolds, der Regissuer, tut nämlich nicht mehr und nicht weniger, als dass er den Heldentypen und dem Optimismus der Historie die Maske abnimmt und hinter den Masken Gesichter erscheinen läßt, Gesichter von Menschen, in denen sich Menschliches und Allzumenschliches spiegelt. Das leichtgenommene Abenteuer der von der Masse gefeierten Helden wird zum harten Schicksal einsamer Einzelgänger. Und waren es nicht gerade diese Einzelgänger, war es nicht das Schicksal und die Verlorenheit, haben nicht diese Faktoren das Gesicht Amerikas geprägt? Alle diese Faktoren sind in diesem Film dramaturgisch verarbeitet und Hintergrund des Geschehens. Wie sich aus der Standard-Type im Verlauf der Handlung der Mensch entwickelt, wie die Heldenpose fahl und durchsichtig wird, wie das große Abenteuer, härter als alle Revolverschlachten, die menschliche Bewährung die Handelnden zwingt, sich als Mensch zu beweisen, das hat eine Spannung, neben der auch die hier nicht vergessene Monsterschau der Revolverduelle, Schlägereien und Überfälle zweitrangig wird." - Zitat aus dem 'Illustrierten Film-Kurier'

"Ein mit den beiden Hauptdarstellern der Karl-May-Filme inszenierter Western, der sich einigermassen routiniert, wenn auch allzu behäbig des Inventars amerikanischer Vorbilder bedient. Durchsetzt mit etwas Heimatfilm-Romantik, bietet der Film ein eher bescheidenes Vergnügen." - KABEL 1 - Filmlexikon

"Ein Western, der so tut, als beruhe er auf Karl May. - Zwei Blutsbrüder auf Abwegen" - TV Spielfilm